Kinder aus suchtbelasteten Familien sind "MACHTLOS"

Veranstaltung am 23.10.2019 in Kooperation zwischen Freundeskreis alkoholkranker Menschen, dem Blauen Kreuz und dem Kreuzbund

In Kooperation zwischen dem Blauen Kreuz, Ortsverein Freiburg, dem Freundeskreis für alkoholkranke Menschen und der Kreuzbundgruppe Titisee-Neustadt fand am 23.10.2019 ein weiterer Event im Bürgerhaus in Freiburg – Zähringen zu dem Schwerpunktthema „Kinder in suchtbelasteten Familien" statt. Dies war eine weitere einer ganzen Reihe von Veranstaltungen in den zurückliegenden Jahren, die das Kernthema in den unterschiedlichsten Facetten einer vertiefenden Betrachtung unterzogen haben.

Das vom Verein „Große Freiheit e.V." aus Gescher in Nordrheinwestfalen entwickelte Theaterprojekt "MACHTLOS" bildete den Kernpunkt der Veranstaltung. In unterschiedlichen Spielszenen sind Handlungen mit realem Hintergrund anschaulich vermittelt worden.

In einer der Spielsequenzen wird ein Ausschnitt im Leben einer vierköpfigen Familie, bestehend aus Mutter, Vater, Sohn und Tochter, geschildert. Der Vater ist Alkoholiker und neigt zu Gewaltausbrüchen. Die Beziehung der Tochter zum Vater ist aufgrund dessen Suchtthematik belastet. Sie hat Schwierigkeiten in der Schule und wird von den Mitschülern gemobbt. Für eine gesunde Entwicklung der Persönlichkeit benötigt sie die Unterstützung und Hilfestellung durch den Vater. Der Vater ermuntert den Sohn ebenfalls zum Konsum von Alkohol, was von ihm abgelehnt wird. Die Beziehung zwischen Vater und Sohn ist stark problembehaftet. Dieser hat Angst, dass die Familie auseinanderbricht. Er verletzt („ritzt") sich regelmäßig mit einem Messer, um sich überhaupt noch zu spüren.

Der Vater verliert seine Arbeit, wohl auch aufgrund seines Alkoholkonsums. Im Rahmen eines Gewaltausbruchs schlägt und verletzt er die Mutter. Da der Tatbestand der Körperverletzung erfüllt ist, wird der Vater durch die Behörden vor die Alternative gestellt, er begibt sich entweder in eine Fachklinik zur Behandlung der akuten Suchtproblematik oder er kommt für längere Zeit in eine Einrichtung des geschlossen Vollzugs. Er entscheidet sich für die erste Variante. Nach etwa drei Monaten Aufenthalt in der Fachklinik schreibt er einen Brief an seine Familie. In den formulierten Ausführungen entschuldigt er sich bei allen Beteiligten für seine bisherigen Verhaltensweisen. Er bittet die Familie ihn zu besuchen und verspricht ein nachhaltiges Abstinenzverhalten.

In der weiteren Spielsequenz wird ein Ausschnitt im Leben einer alleinerziehenden Mutter mit minderjähriger Tochter geschildert. Die Mutter ist alkoholkrank und lebt in einer neuen Beziehung. Das Verhältnis zwischen Tochter und dem neuen Lebensgefährten ist stark problembehaftet. Bei der Tochter besteht mittlerweile auch eine Suchtproblematik in Form von Drogen. Aufgrund des Konsums einer Überdosis an Drogen ist der Freund verstorben. Die Tochter hat die Situation überlebt.

Die Tochter zieht trotz Bitten der Mutter aus der gemeinsamen Wohnung aus. Sie erträgt das alkoholbedingte Verhalten der Mutter nicht mehr. Die Beziehung ist gestört.

Die Mutter stammt selber aus einer suchtbelasteten Familie. Sie nimmt mit ihrem verstorbenen Vater Kontakt auf. In diesem Kontext wird die Zweierbeziehung einer vertiefenden Betrachtung unterzogen. Aufgrund der Erlebnisse in der Kindheit sind bei der Mutter Persönlichkeitsstörungen aufgetreten. Diese werden durch den Alkoholkonsum kompensiert.

Neben den Spielszenen sind auch Informationen über das Suchtthema Bestandteil des Theaterprojekts. Aktuelle Statistiken und Entwicklungen werden thematisiert. Nach den aktuellen Zahlen leben in Deutschland ca. drei Millionen Kinder in suchtbelasteten Familien. Die Süchte sind sowohl stoff- (Drogen, Alkohol, Medikamente) als auch nichtstoffbezogen (Spiel-, Internet-, Mager-, Kaufsucht, etc.). Es gibt in Deutschland schätzungsweise 80 professionelle – ambulante – Angebote für Kinder und Jugendliche suchtkranker Eltern. Hinzu kommen die Angebote von Fachkliniken für Suchtkranke, wo die Kinder während der stationären Behandlung der Eltern mit betreut und unterstützt werden können. Diese erreichen jedoch lediglich die Kinder, deren Eltern sich in eine Fachklinik begeben. In Relation zu der Anzahl der betroffenen Kinder ist die geringe Zahl an gezielten Hilfeangeboten bedauerlich. Es zeigt, dass Kinder und Jugendliche suchtkranker Eltern auch heute noch meist vergessene Kinder sind.

Die Theatergruppe besteht im Wesentlichen aus Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit Betreuern, die auf ehrenamtlicher Basis agieren. Seit 2013 / 2014 tourt die Truppe mit dem Theaterprojekt durch Deutschland. Die Zusammensetzung hat sich hierbei teilweise verändert. Lücken, die entstanden sind, konnten rasch aufgefüllt werden.

Die im Bürgerhaus „Zähringen“ stattgefundene Veranstaltung kann als „Veranstaltungstag“ definiert werden, sie bestand aus zwei Teilen. Am Vormittag in geschlossener Form ist das Theaterprojekt bei gleichzeitiger Anwesenheit von über 400 Schülern im Alter zwischen 10 – 14 Jahren aus Freiburg und der Umgebung gezeigt worden. Im Rahmen des zweiten Teils am Abend in öffentlicher Form bestand das Auditorium aus ca. 300 interessierten, teilweise thematisch vorgebildeten Anwesenden. Im Anschluss an die ca. 50-minütige Aufführung bestand Gelegenheit zum thematischen Austausch und zur Formulierung von Fragestellungen.

Als Rahmen zu der Veranstaltung ist in den Seitenflügeln des Bürgerhauses an Ständen von den unterschiedlichsten Institutionen der Suchthilfe informiert worden. Hier bestand die Gelegenheit mit Betroffenen, die sich in Selbsthilfegruppen engagieren, ins Gespräch zu kommen und mehr über die Angebote der Beratungsstellen für Suchtkranke zu erfahren.

Der erfolgreichen Veranstaltung ist eine längere Planungsphase vorangegangen. An dieser Stelle gilt allen Akteuren und Mitwirkenden der Dank, die ihre Unterstützung eingebracht und somit zum Gelingen beigetragen haben.

Friedrich Mey
(Kreuzbundgruppe Titisee-Neustadt)

alle Fotos: Gerhard Thomann