Angehörige von Suchtkranken - ein Leben in der zweiten Reihe ?

Familien- und Angehörigenseminar, 8.-10.9.2017, Bad Herrenalb

Wir trafen uns am Freitagabend und bearbeiteten drei Fragengruppen,um uns insThema einzufinden:

  • Was bedeuten Grenzen für mich?Was habe ich für meineAngehörigen getan?
  • Was habe ich in letzter Zeit für mich getan?
  • Wie war ich als Kind und welche Ziele hatte ich für mein Leben?

Danach tauschten wir uns in Zweiergruppen über das Gefundene aus. Am Samstag begrüßte Uta Münchgesang dann unsere Referentin, Frau Beate Dörflinger (Diplom-Sozial-Päddagogin) von der Suchtberatung Caritas Mannheim, und sie begann gleich mit einem Soziogramm, angeleitet durch die Fragen:

  • Was bedeuten Grenzen für mich?
  • Wer kennt wen?
  • Wie alt bin ich?
  • Woher komme ich?
  • Wie lange bin ich schon im Freundeskreis?
  • Bin ich Angehöriger, Kind, Geschwister, Partner oder Elternteil eines Suchtkranken?
  • Kenne ich das Drama-Dreieck?

Wir kamen alle in Bewegung und die Tragweite der Zugehörigkeit wurde uns deutlich bewusst. Weiter ging es mit dem Unterschied zwischen Angehörigen und Co- Abhängigen. Angehörige

  • stehen in einem besonderen rechtlichen oder sozialen Verhältnis zueinander
  • meist in engem familiären oder persönlichem Verhältnis
  • können auch Personen umfassen, die in das Lebensumfeld gehören (Zugehörige)

Im Gegensatz dazu gilt für „Co-Abhängige“, dass sie 

  • abhängigkeitsspezifische Symptome (z. B. retten, Kontrolle) zeigen
  • unter Scham-/Schuldgefühlen oder/und Selbstzweifeln leiden
  • unter anderen Auffälligkeiten (z.B. Depressionen, Ängsten, Misstrauen, Kopfschmerzen) leiden

Am Nachmittag folgte eine ganz spannende Übung, die uns ins Spüren brachte. Wir wurden in zwei Gruppen eingeteilt und stellten uns in zwei Reihen auf, die etwa 70 cm Abstand (persönlicher Näheabstand) voneinander hatten. Es gab eine erste und eine zweite Reihe und die Aufgabe war es, folgenden Leitfragen nachzuspüren:

  • Was nehme ich jetzt wahr?
  • Was sehe ich jetzt, was höre ich, wie ist mein Stand (fest oder weniger fest)?
  • Wohin geht mein Blick? Wie groß ist die Entfernung? Was sagt die räumliche Distanz zur ersten Reihe für mich aus?
  • Wie geht es mir damit? Was bedeutet das für mein Verhalten?
  • Was muss ich tun, um in die erste/zweite Reihe zu kommen? Möchte ich das, ist das mein Ziel? Wie viel Anstrengung kostet es mich?

Anschließend wurden die Positionen getauscht und nochmals hineingespürt. Dann wurde ein innerlicher Schnappschuss gemacht. Dieses Foto wurde dann gemalt. Danach haben wir die Übung unter Verwendung der Leitfragen:

  • Wie habe ich mich gefühlt?
  • Wie gehe ich mit Veränderung um?
  • Wie ging es mir mit dem Abstand?
  • Wie sehr beeinflussen mich Erfahrungen aus der Vergangenheit und wie gehe ich mit Erwartungen um?
  • Inwiefern wird mein Lebensraum beeinflusst, eingeschränkt, erweitert und inwieweit lasse ich es zu?

Dieser Abschnitt des Seminars war sehr intensiv und hat Vieles in uns zum Klingen gebracht, deshalb ging es danach mit einer Körperübung weiter, die uns neue Energie gab. Frau Dörflinger verstand es sehr gut, solche Übungen einzubauen und sorgte so für eine bunte Mischung, die sehr wohltuend war.

Nachmittags gab es dann wieder Input. Die Referentin stellte uns das Dramadreieck aus der Transaktionsanalyse eindrücklich vor. Dabei nehmen die Kommunikationspartner drei verschiedene Rollen ein, zwischen denen sie stetig wechseln. Die drei Positionen sind Verfolger, Retter, Opfer.

Das Dramadreieck ist oft ein Teufelskreis, in dem sich ein Gespräch zu einer handfesten Auseinandersetzung entwickeln kann. Um diesem Muster zu entgehen, gibt es einige Strategien, die man sich selbst aneignen kann:

  • Pauschalisierungen vermeiden
  • sich klar und deutlich ausdrücken
  • die eigenen Grenzen kennen
  • keine endgültigen Aussagen treffen

Um das Dramadreieck zu verstehen, bekamen wir die Aufgabe, in Kleingruppen Redewendungen zu analysieren, dabei Tonfall und Körpersprache der einzelnen Positionen zu erarbeiten sowie zu jeder Rolle ein Beispiel zu suchen und alle drei Positionen durchzuspielen.

Im Plenum trafen die Kleingruppen wieder aufeinander und sollten nun eine der Positionen spielen und schauen, wie das gelingt und wie man sich dabei fühlt. Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass niemand das Opfer spielen wollte; während sich eine Gruppe für die Position des Retters entschied wollten alle anderen den Verfolger repräsentieren.

Zum Ausgleich folgte darauf eine Übung, in der wir schauen konnten, wie der Seelentank bei uns aussieht und was ihn wohl auffüllen könnte.

Der Sonntag diente der Nachschau dessen, was wir erlebt hatten; er sollte Raum für Fragen geben und Klarheit schaffen. Dann überlegten wir, wofür wir dankbar sein können, wählten einen Partner und übten uns mit diesem 30 Minuten lang in dankbarer Haltung. Im Plenum besprachen wir unsere Erfahrungen und spürten einer Entspannungsübung nach. Nach einer Feedback- Runde und den Austausch über das, was wir mitnehmen möchten, schloss Uta Münchgesang mit einem Text von Bernhard von Clairvaux „Schalen der Liebe“ das Seminar.

Ein großes Dankeschön geht an Uta Münchgesang und Team für die gelungene Vorbereitung und Durchführung dieses Seminares.

Simone Engels