Vom Einstieg in die Gruppenarbeit

Mitarbeiterfachtag 2010 des Landesverbandes in Karlsruhe

Einigen frischen Wind brachten die beiden Referenten, Andreas Benkmann und Christoph Becker (siehe Bild links) mit zum diesjährigen Mitarbeiter-Fachtag, der die Teilnehmer ermutigte, einige allzu ausgetretene Pfade zu verlassen. Statt Plenum gab es die Großgruppe, die begrenzte Anzahl von 48 „Mitarbeitern“ machte es möglich – und statt Referat wurde die Einstiegsfrage gestellt: „Was war dir wichtig, um dich deiner Gruppe mitteilen bzw. dich öffnen zu können.“ Die schriftlich fixierte Antwort durfte jeder einzelne Teilnehmer der Gruppe mitteilen und diese dann an verschiedenen Wandflächen anheften, die nach folgenden Begriffen strukturiert waren:

  • Haltung, Atmosphäre
  • Fragestellung/Themenvorgabe
  • Positive Verstärkung
  • Methoden/Medien 

Das Ergebnis war auch für die Referenten erstaunlich: fast ebenso viele Antworten wie für „Haltung/Atmosphäre“ gab es für die Rubrik „Methode/Medien“, was deutlich machte, dass viele der Teilnehmer mit dem heute anstehenden Thema bereits vertraut waren, nämlich Methoden bzw. Medien für einen „Einstieg in die Gruppe“ zu finden. 

Neu war auch das Medium zu Aufteilung der Großgruppe in 4 Kleingruppen. Es wurden verschieden farbige Tücher - Gelb, Blau, Rot, Weiß – auf den Boden gelegt und ein Jeder konnte sich auf das Tuch mit seiner Lieblingsfarbe stellen. Es bedurfte dann nur noch einiger weniger Überredungskünste seitens der Referenten, um die Kleingruppen annähernd gleich groß zu erhalten. Ebenso neu war die Methode zur Auswahlvon je 2 Gruppenleitern; diese sollten sich aus der jeweiligen Kleingruppe freiwillig melden, wobei von vornherein bekannt war, das diese nochmals nach der Mittagspause ausgewechselt werden sollten. Neben den beiden Gruppenleitern wurden für jede Gruppe noch 2 Beobachter gewählt, die nicht am Gruppengeschehen teilnehmen, deren Verlauf aber beobachten sollten. Auch diese Beobachter wurden später ausgewechselt, sodass theoretisch jeder einmal Gruppenteilnehmer sein oder in eine der beiden Funktion schlüpfen konnte.

 Zum Einstieg in die Gruppenarbeit benutzten die Gruppenleiter bestimmte Medien, über deren Einsatzmöglichkeiten und Wirksamkeit sie zuvor von den Referenten instruiert worden waren. Es wurden dabei in den einzelnen Gruppen unterschiedliche Medien eingesetzt, wie z.B. 

  • Farbige Papierbogen mit der Aufgabe, diese entsprechend der augenblicklichen Befindlichkeit zu gestalten.
  • Farbige Schnüre mit der selben Aufgabe.
  • Auswahl von verschiedenen Gegenständen, die einen Bezug zur Befindlichkeit haben.
  • Auswahl von verschiedenen Schlüsseln, verbunden mit der Frage, was soll damit aufgeschlossen, was besser weggeschlossen werden.
  • Eckige und runde Papierbogen, auf welche die Gruppenteilnehmer aufschreiben sollten, was zur Zeit eckig, was rund läuft.
  • Auswahl von verschiedenen Bildmotiven in runder oder eckiger Form  nach den gleichen Kriterien. 

Die beiden letztgenannten zählen zu den sogenannten digitalen Medien, die anderen zu den analogen. Digitale Medien erlauben, wie schon der Name aussagt,  „nur“ die Auswahl zwischen zwei Zuständen (Stimmungen, Empfindungen),  haben aber ihren Wert darin, dass sie über ihre Symbolik in der zu Verfügung stehenden Zeit Umstände ins Bewusstsein transportieren und Ausgeblendetes einblenden helfen können. Analoge Methoden aktivieren dagegen ein bestimmtes Gehirnareal und helfen eher,  Emotionen zu erspüren, mit zugedeckten Fähigkeiten in Kontakt zu kommen und sich von festgefahrenen Denkmustern zu befreien. Dem inneren Erleben wird so Raum gegeben. Oft entsteht hier eine Symbolik, welche die Assoziationsdynamik fördert und dadurch als Anregung wirkt, auch über tabuisierte Inhalte zu sprechen

Bestimmte Einstiegsübungen können einen deutlich kreativen Schwerpunkt im Tun haben, (z.B. Verwendung von Seilen), andere Übungen erfordern eher eine innere Kreativität durch die Herstellung einer Zuordnung und Bedeutungsgebung (z.B. Photos).

Bei allen Übungen geht es letztlich wieder darum, sich die inneren Prozesse zu vergegenwärtigen und sie zu kommunizieren. 

Was hier als Theorie formuliert ist, konnte im Gruppengeschehen sofort beobachtet werden. Es war erstaunlich, wie schnell die Gruppenteilnehmer nach der Einstiegsrunde bereit waren, das, was sie augenblicklich bewegt, anzusprechen. Es entstanden intensive Gruppengespräche, an deren Ende die jeweils zwei Beobachter ihre Eindrücke vor allem über die Arbeit der Gruppenleitung formulierten. 

Hier noch einige weitere theoretische Grundlagen zum Einsatz von Medien: 

In der Gruppenarbeit der  Selbsthilfe ist u.a.  von folgenden Wirkfaktoren auszugehen: 

  • Hoffnung auf Heilung
  • Erleben einer Universalität des Leidens
  • Mitteilung von Information
  • Erweitern der Techniken des menschlichen Umgangs
  • Nachahmendes Verhalten
  • interpersonelles Lernen
  • existentielle Erfahrungen
  • Verpflichtungscharakter.


Jeder Gruppenabend birgt ein Potenzial für jeden Einzelnen, von den o.g. Wirkfaktoren zu profitieren als auch diese mit zu entwickeln. Grundsätzliche Ziele eines Gruppenabends sind deshalb in der Regel:

  • Austausch
  • Sich begegnen
  • Sich öffnen  lernen mit Stärken und Schwächen
  • Probleme ansprechen und gegebenenfalls klären
  • Veränderungsprozesse anstoßen
  • Angenommen werden
  • Rückmeldungen  annehmen  bzw. geben 

Letztendlich geht es um einen Prozess des Mit-Sich-in Kontakt-Kommens, Beschreiben-Lernens und Sich-Öffnens. Als Grundlage hierfür ist eine Verlangsamung, eine „Entschleunigung“ notwendig, um innere Zustände und Vorgänge erspüren zu können und den Raum und die Zeit zu haben, in freier Entscheidung das Innere nach Außen zu transportieren, „Sich-zu-Zeigen“. 

Die Rolle des Gruppenleiters beinhaltet die Möglichkeit, durch das Angebot einer Einstiegsübung den Prozess der Verlangsamung, des Sich-Bewusst-Werdens und Sich-Öffnens zu unterstützen. Hierbei ist die Form der Umsetzung der Methode, nicht zuletzt als Folge der dahinter stehenden Haltung,  mindestens ebenso von Bedeutung wie die Methode selbst. 

Bei einer ersten Auswertung des Gruppengeschehen im Plenum konnten sowohl die Gruppenleiter als auch die Beobachter sowie je 1 Mitglied aus der Gruppe ihre Eindrücke schildern. Sowohl hierbei als auch später in der Schlussrunde aller Teilnehmer wurde deutlich, wie gut die praktische Umsetzung der oben geschilderten Theorie gelungen war. Ein großes Lob verdienen hierzu die beiden Referenten, aber auch alle Teilnehmer, die mit großem Eifer aber auch viel Freude an diesem sehr interessanten Thema mitgearbeitet haben.

 

Uwe Aisenpreis (fachliche Unterstützung von Andreas Brenkmann)