Und wo bleib' ich?

Eigene Bedürfnisse erkennen und verwirklichen 

Bericht zum Ersten Seminar für Angehörige des Freundeskreises für Suchtkrankenhilfe des Landesverbandes Baden e.V.

Es ist nicht leicht,
Glück in sich selbst zu finden,
aber unmöglich,
es anderswo zu finden!

Das erste Seminar für Angehörige der Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe des Landesverbandes Baden e.V. wurde mit großer Resonanz von 37 Interessenten besucht. Teilweise wurden die Angehörigen von den betroffenen Partnern begleitet.  

Herr Engels und Herr Moos begrüßten die Teilnehmer zum Seminar und standen zu Beginn für Fragen zum Thema oder zur Organisation zur Verfügung. 

Frau Münchgesang und Frau Engels hatten das Seminar vorbereitet. Zum Einstieg konnten sich die Teilnehmer durch eine Übung über ihren Standort zum Thema „Abhängige Verhaltensweisen“ klar werden. Die Teilnehmer wurden aufgefordert, ihre Rolle im Suchtkrankensystem zu definieren: 

  • Bin ich Angehöriger
  • Bin ich Co- Alkoholiker/in
  • Ich weiss nicht 

Mit dieser Übung haben einige Teilnehmer erstmals die eigene Rolle im Familiensystem kritisch bedacht.

Frau Münchgesang übergab nach der oben genannten Einstiegsübung die Moderation an Frau Wilhelm. Diese erläuterte in anschaulicher und nachvollziehbarer Weise die Schwierigkeit, zu wünschen. Die Schwierigkeit zu wünschen fällt den Menschen im Alltag häufig schwer, weil sie es einfach nicht gewohnt sind. Aus diesem Grund erscheint es zuweilen undenkbar, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und sich diese zu erlauben. Vielmehr lebt der Mensch in dem Gefüge, der andere möge meine Wünsche erkennen und darauf eingehen im Sinne von „Lies mir meine Wünsche von den Augen ab!“ 

Ein klarer unmissverständlicher Ausdruck meiner Wünsche durch eine konkrete Formulierung will gelernt sein!  

Mit folgenden Fragen beschäftigten sich die Teilnehmer:  

  • Was wünsche ich mir?
  • Was möchte ich los lassen?
  • Was hilft mir los (zu) lassen?
  • Was tut mir gut? 

Die Teilnehmer erhielten Stifte um oben genannte Fragestellungen auf dem Papier zu formulieren. Zusammengefasst wünschten sich die Teilnehmer nahezu alle Ähnliches:  

  • Ein zufriedenes Leben mit einem Partner, der seine Abstinenz lebt
  • Ein selbstbestimmtes Leben mit Freiräumen für sich selbst
  • Ein Leben in einem guten sozialen Netzwerk
  • Ein Leben mit Raum für Entspannung
  • Ein Leben in Balance 

Loslassen wollten die Teilnehmer sehr Unterschiedliches (hier die Zusammenfassung):  

  • Für alles die Verantwortung übernehmen
  • Nichtveränderbares stehen lassen
  • Kontrolle über das Trinkverhalten des Partners
  • Festgezurrte Sichtweisen
  • Sofortige Übernahme von Aufgaben  

Um ein Loslassen praktizieren zu können und zu sehen, was gut tut, fanden sich zusammengefasst folgende Möglichkeiten:  

  • Bewegung und Sport
  • Entspannung (Musik, Ausgehen, Kochen, Badewanne)
  • Freiräume schaffen
  • Zeit mit Freunden/Familie verbringen
  • Teilnahme am sozialen Leben
  • Gelassenheit und Ruhe leben 

Im Anschluss sollten Wünsche zum Ausdruck gebracht werden. Der Mensch muss lernen, die eigenen Wünsche auf den Punkt zu bringen indem er folgende Punkte beachtet:  

  • Wünsche selbst erspüren
  • Wünschen Raum geben
  • Wünsche entfalten lassen 

Daraus folgt die konkrete Formulierung. Das hierzu gehörende Übungsangebot ermöglichte allen Teilnehmern die Äußerung eines Wunsches vor der großen Runde. Die Teilnehmer sollten in die Mitte des Forums treten und ihren Wunsch konkret sagen! Ein Selbsterfahrungsanteil für manche Teilnehmer war das Empfinden während dieser Aktion. Wie schwer fällt es mir vor anderen Menschen eine Bitte, eine Forderung und/oder einen Wunsch zu formulieren. Die Gestik, die Mimik, die Körperhaltung und die Stimme (Tonhöhe, Lautstärke) variierten bei den Teilnehmern und jeder erfuhr für sich Sicherheit und/oder Unsicherheit.   

Die Mittagspause verbrachten die Teilnehmer beim gemeinsamen Essen im angenehmen hellen Speisesaal des Priesterseminars mit einem Plausch. 

Das Zitat von Roland Niebuhr brachte das Thema für den Nachmittag auf den Punkt: 

„Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hin zu nehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!“
 

Achtsames Wahrnehmen und Beobachten der eigenen Reaktionen können die ersten Schritte aus dem Weg der Abhängigkeit sein und verhilft damit zu einem Leben im „Jetzt“. Anschaulich verpackt mit der Produktwerbung „Du darfst“ als Beispiel verpackte Frau Wilhelm die konkrete Aussage. „Du darfst“ heisst bedenkenlos zugreifen ohne ein schlechtes Gewissen entwickeln zu müssen. Auf das Seminar übertragen bedeutet „du darfst“, dir deine Wünsche zu erlauben und zu erfüllen und jeder kann das in Form einer Selbstinstruktion in die Wege leiten.  

  • „Du darfst“ auf deine Signale hören!
  • „Du darfst“ entscheiden, was du möchtest
  • „Du darfst“ dir erlauben, dich glücklich und zufrieden zu fühlen! 

Alles das „darf ich“ als Angehöriger trotz des abhängigen Partners. 

Es gilt die Realität anzunehmen und die Glückmomente im Leben wahrzunehmen. Es bleibt die Entscheidung eines jeden Einzelnen, ob die guten Momente positiv wahrgenommen und als solche geschätzt werden können. Erlauben wir uns diesen Mechanismus, können die Glücksmomente eine positive Nachhaltigkeit entfalten.  

Frau Wilhelm schloss das Anschauungsmodell „du darfst“ mit einer vollen Dose Kaffeebohnen ab. Jeder Teilnehmer sollte sich für jeden heute bereits positiv erlebten Moment eine Kaffeebohne aus dem Glas nehmen und das Erlebnis noch einmal nachspüren. 

Zur Kaffeepause verabschiedete sich Frau Wilhelm von den Teilnehmern und bedankte sich herzlich bei Frau Münchgesang für die kleine Aufmerksamkeit. 

Ein Glücksmoment bedeutete für die Teilnehmer auch eine gute Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen. 

Zum Abschluss des Seminars forderten Frau Münchgesang und Frau Engels zur großen Feedbackrunde auf. Grundsätzlich gab es eine sehr positive Resonanz von Seiten der Angehörigen als auch von Seiten der Betroffenen. Dass Angehörige selbst die Entscheidung haben, ob es ihnen gut geht oder nicht, war in diesem Seminar sehr deutlich geworden. Wie beim Abhängigen hat es der Angehörige selbst in der Hand, eine Situation zu verändern.  

Alle Teilnehmer waren sich einig: Sie wünschen sich weitere Seminare am besten auf zwei Tage verteilt. Frau Münchgesang und Frau Engels wurde der Dank für die gute Planung, die Organisation, die Auswahl der Referentin und die Durchführung ausgesprochen. Frau Münchgesang stellte in Aussicht, im kommenden Jahr (eventuell im Oktober 2013) ein weiteres Seminar für Angehörige anzubieten; das Thema ist aktuell hierzu noch nicht gewählt.

Cornelia Breithaupt